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«Natürlich ist es mein Ziel, Erfolg zu haben»

Tamara Guidolin aus Affoltern hat bereits vier Bücher publiziert – allen Widrigkeiten der Branche zum Trotz.

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Die 31-jährige Tamara Guidolin möchte sich mit ihren Liebesromanen einen Namen machen. Die Konkurrenz ist riesig, bei den Verlagen ist sie bisher abgeblitzt. Das hält die junge Autorin nicht davon ab, ihre Bücher selbst auf den Markt zu bringen, auch wenn das aufwändig ist – und nicht ganz günstig. 

«Anzeiger»: Im Herbst 2019 haben Sie Ihr viertes E-Book veröffentlicht. Als Laie ein Buch schreiben, wie macht man das?

Tamara Guidolin: Das machen alle ein bisschen anders, das Schreiben ist ja eine sehr persönliche Angelegenheit. Aber zunächst muss man mal damit anfangen – und dann muss man dranbleiben. Der US-Schriftsteller Stephen King schrieb in seinem Buch «Das Leben und das Schreiben», im Prinzip reihe man Wörter aneinander. Diese Beschreibung fand ich irgendwie lässig.


In der Tat klingt das lässig. Aber ganz so simpel ist es ja nicht.

Natürlich nicht – im Gegenteil, es ist anspruchsvoll. Doch am Anfang geht es einfach darum, mit dem Schreiben zu beginnen. Vielleicht hat man zu diesem Zeitpunkt bloss eine rudimentäre Idee des Plots, das sollte einen jedoch nicht hindern; konkrete Handlungen und Details ergeben sich während des Schreibens. Zumindest, wenn man wie ich eher intuitiv schreibt. Jedenfalls: Wenn man dranbleibt und die Geduld nicht verliert, hat man am Ende einen Entwurf.


Und dann?

Dann gilt es, all diese noch unstrukturierten Szenen in eine Ordnung zu bringen. Und natürlich muss man den Text kritisch überarbeiten: Wirken die Charakteren lebendig? Hat die Geschichte genügend Konflikte? Ich überprüfe auch gerne, ob meine Texte dem sogenannten Sieben-Punkte-System standhalten.


Was sieht das Erzähl-Schema vor?

Man arbeitet anhand von sieben Eckpunkten, wobei die Eckpunkte bestimmte Ereignisse markieren. Welche das sind, ist vorgegeben. Zum Beispiel das Auftauchen des Problems oder Bösewichts, wenn der Druck für den Protagonisten entsteht, die Entscheidung des Protagonisten, etwas dagegen zu tun, und so weiter. Das folgt alles einer bestimmten Reihenfolge. Man definiert diese Ereignisse und kann sich daran orientieren.


Wo haben Sie diese handwerklichen Techniken gelernt?

Zunächst habe ich mich in einem Literaturforum mit anderen Leserinnen und Lesern ausgetauscht. Über einen Kontakt auf dieser Plattform bin ich in einem Schreibforum gelandet, in dem man sich rege über Techniken austauschte und sich gegenseitig Tipps gab. Später habe ich mir dann noch Schreibratgeber dazugekauft.


Solche Bücher sind meistens voll mit gut gemeinten Ratschlägen. Zu wissen, was man alles nicht soll, kann aber auch hemmen.

Man muss lernen, dass man nicht auf Anhieb alles perfekt machen kann. Auch, dass selbst im fertigen Buch noch hundert Sachen drin sind, über die man im Nachhinein denkt: «Oh, wow! Warum hast du das nicht bemerkt?»


Ist Ihnen das schon passiert?

Klar, bei jedem Buch (lacht).


Wenn das Manuskript fertig ist, steht man als Hobby-Autorin vor der Frage: Wer veröffentlicht das jetzt? Wie sind Sie vorgegangen?

Als mein erstes Buch 2013 fertig war, habe ich versucht, einen Verlag zu finden. Das hat allerdings nicht geklappt.


Wie viele Verlage haben Sie kontaktiert?

Zirka zehn, fünfzehn. Ich erhielt eine Absage nach der anderen, von manchen habe ich gar nichts gehört. Am Schluss war ich so frustriert, dass ich einen letzten Versuch startete und das Manuskript bei einem E-Book-Wettbewerb eingereicht habe. Eine Jury kürte die besten drei, und als Preis wurden diese Bücher als E-Book veröffentlicht. Aus 300 Teilnehmenden war ich glücklicherweise eine der Gewinnerinnen.


Ihr neustes Buch «Länger als die Ewigkeit» handelt von einem Starfriseur, der ein wildes Jetset-Leben und eine noch wildere Ehe führt. Das Paar betrügt sich gegenseitig, und hält sich dabei an drei Regeln: Keine Geheimnisse, kein Nummerntausch, keine Wiederholungen. In welchem Genre würden Sie Ihre Bücher einordnen?

Eine Kollegin meinte mal, das seien eigentlich Love Storys, wenn auch keine im klassischen Sinn. Ich schreibe nicht nach dem Schema «Zwei treffen sich – Widrigkeit, Widrigkeit – Happy End», sondern lege Wert darauf, Beziehungen möglichst realistisch darzustellen. Aber natürlich sind meine Bücher durchaus auch zur Unterhaltung gedacht.


Wer ist Ihre Leserschaft?

Ich stelle fest, dass es überwiegend Frauen sind. Vor allem solche, die selber im kreativen Bereich tätig oder auch Autorinnen sind. Auch Musikaffine lesen die Bücher gern, und natürlich Leute aus meinem Freundeskreis.


Wo findet man Ihre Bücher, wenn man Sie als Autorin noch nicht kennt?

Dann wirds schwierig (lacht). Man erhält meine Bücher zwar in den meisten Online-Buchshops – allerdings nur, sofern man weiss, wonach man suchen muss.


Auf virtuelle Laufkundschaft können Sie also nicht hoffen.

Kaum. Für mehr Sichtbarkeit müsste ich viel Werbung machen, was mir nicht so liegt. Deshalb macht es für mich am meisten Sinn, im Freundeskreis zu beginnen und den Kreis an Leserinnen und Lesern von dort aus zu erweitern. Parallel dazu pflege ich auf Instagram einen Account.


Wie intensiv betreuen Sie diesen Kanal?

Auch da sollte man dranbleiben und regelmässig posten – am besten täglich einen Beitrag.


Und was, wenn es mal nichts zu sagen gibt?

Ich greife inzwischen auch andere Themen auf. Zum Beispiel stelle ich Bücher vor, die ich gerade lese oder besonders interessant finde. Manchmal mache ich auch Beiträge zu gesellschaftlichen oder politischen Themen. Wichtig ist, dass man die Hashtags klug auswählt. So erhöht man die Chance, dass man von anderen, die diese Hashtags abonniert haben, gesehen wird. Ausserdem ist es wichtig, dass man regelmässig Beiträge kommentiert und sich in die Community einbringt.


Wie viel Zeit investieren Sie in diese Art von Selbstvermarktung?

Zirka eine Stunde pro Tag.


Nebst der Zeit: Welche Aufwände fallen zusätzlich an?

Da ich meine Bücher im Self-Publishing herausgebe, mache ich fast alles selbst. Für meine letzten beiden Bücher habe ich einen Distributor engagiert, der die Vertriebsarbeit übernimmt. Ich habe das fixfertige Buch mit Cover hochgeladen, und dieser Anbieter hat dann die ISBN-Nummer zur Verfügung gestellt und es im Schweizer Buchhandelsverzeichnis eintragen lassen. Eines der beiden Bücher wird auch als Printversion angeboten; wird es bestellt, drucken und versenden sie es für mich. Die Einstellgebühren betrugen zirka 25 Franken, und die Tantiemen werden geteilt.


Wer hat das Lektorat gemacht?

Dazu habe ich eine selbstständige Lektorin in Deutschland beauftragt.


Auf eigene Rechnung?

Ja. Das hat mich zirka 600 Euro gekostet, die Covergestaltung nochmals 100 Euro. Das war allerdings ein Spezialpreis, normalerweise ist das teurer.


Aktuell sind zwei Bücher von Ihnen auf dem Markt. Wie viele Exemplare haben Sie verkauft?

Das Buch «Der erste und letzte Song» ist im Herbst 2018 erschienen, davon wurden bisher zirka 90 Exemplare verkauft, als E-Book und Printversion. «Länger als die Ewigkeit» kam ein Jahr später heraus, ist nur als E-Book erhältlich und wurde bisher zirka 20 Mal heruntergeladen.


Was verdienen Sie pro verkauftes Buch?

Bei den E-Books, die zwischen drei bis sechs Franken kosten, ist das zirka ein Franken. Bei der Printversion, die ein paar Franken mehr kostet, ebenfalls. Der Rest geht an den Distributor.


Sie investieren viel Zeit und Geld in Ihre Bücher, verdienen daran praktisch nichts. Was treibt Sie an?

Das Gefühl, dass gewisse Dinge, die mir auf der Seele brennen, gesagt werden müssen.


Zu Ihrem persönlichen Wohl oder zum Wohl der Allgemeinheit?

Beides. Das Schreiben bietet mir als Autorin die Möglichkeit, Dinge zu verarbeiten. Allerdings achte ich schon darauf, in meinen Büchern Themen aufzugreifen, die auch für andere relevant sind. Manchmal tut es doch einfach gut, beim Lesen eines Buches zu merken, dass man mit gewissen Gefühlen oder Erlebnissen nicht alleine ist.


Welche Leserinnen und Leser sind mit Ihren Büchern gut aufgehoben?

Das variiert, aber grundsätzlich sind es Leute, die gerne über das Leben nachdenken und die nicht unbedingt die besten Beziehungserfahrungen gemacht haben.


Das klingt verdächtig nach Selbsthilfe-Lektüre...

Ach nein, Selbsthilfe-Bücher sind es nicht. Ich greife einfach Themen auf, von denen ich das Gefühl habe, dass auch andere froh sein könnten, etwas darüber zu lesen. Mir persönlich ist zum Beispiel das Thema Asexualität ein grosses Anliegen. Ich bin selber asexuell und dachte, vielleicht gibt es Menschen, die sich ähnlich fühlen, die also keine sexuelle Anziehung spüren oder einfach kein Interesse an Sex haben und denen vielleicht durch meine Lektüre manches klarer wird. Meine Motivation ist es, andere Personen mit ähnlichen Erfahrungen mit meinen Büchern zu unterstützen.


Hoffen Sie insgeheim darauf, eines Tages doch noch entdeckt zu werden?

Natürlich ist es mein Ziel, Erfolg zu haben. Aber ich bin auch realistisch, den Durchbruch zu schaffen, ist schwierig. Deshalb versuche ich vorerst, mir etwas aufzubauen, indem ich meine Bücher im Self-Publishing herausgebe und meine Fangemeinde erweitere, sodass allmählich mehr daraus entsteht. Man muss die Dinge selber in die Hand nehmen, statt zu warten, bis das Schicksal an die Tür klopft.


 

Über Tamara Guidolin


Tamara Guidolin ist 1989 geboren und in Adliswil aufgewachsen. Sie hat eine KV-Lehre absolviert und arbeitet heute im Büro eines Immobilienunternehmens. Zwischen 2014 und 2016 hat sie unter Pseudonym bereits zwei Romane veröffentlicht, beide sind inzwischen nicht mehr erhältlich. 2018 ist Tamara Guidolins Roman «Der erste und letzte Song» erschienen, im Herbst 2019 folgte mit «Länger als die Ewigkeit» ihr aktuellstes Buch. Am 14. Juni hat sie auf ihrem Blog www.tamaraguidolin.com ihre neuste Kurzgeschichte «Sleaze Symphony» veröffentlicht.

Dieser Beitrag ist am 16. Juni 2020 im Anzeiger aus dem Bezirk Affoltern erschienen.

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