top of page

Im Bann der Hölzchen

Am Samstag wurde im Restaurant Adler in Kappel der 8. Schweizer Hölzler Meister erkoren

Hölzle 2.jpg

Einmal im Leben landesweit eine Rangliste anführen, für einmal der Beste sein? 32 «Athleten» wollten dieses Ziel am letzten Samstag im «Adler» erreichen. Sie kämpften um den Schweizer Meistertitel im «Hölzle».

Pünktlich da, und doch zu spät. Der Köppel Roger habe drum grad eine Suppe gelöffelt, sagt Schönbächler Renata, die Wirtin. Hier, im «Adler» in Kappel, wo Ländler läuft und Schweizerkreuz-Girlanden hängen, hier, wo man an der Theke ein «Herrgöttli» bestellt, wenn man ein Bier möchte. Hier, wo noch gut bürgerlich gekocht wird. Für bürgerliche Ständeratskandidaten auf Wahlkampftour sowieso.

Hier also wird heute der 8. Schweizer Meister im «Hölzle» erkoren. Um 14 Uhr beginnt das Turnier, noch ist man sich am Aufwärmen, am Vorglühen. Man grüsst sich, man schätzt sich – man kennt sich. Gerstensuppe, Bier und Saurer Most. «Und suscht so, wie hättmers?» – «Bi zfridä» – «Isch rächt».

 

Schluss mit dem «Bschiisse»

Dieses Jahr machen 32 Teilnehmer mit, darunter fünf Neue. Lüthi Werni, der Spielleiter, erklärt die Regeln: «Am Tisch sitzen vier Spieler. Jeder erhält drei Holzstäbchen. Jeder entscheidet sich für eine Anzahl zwischen null und drei, nimmt sie in die eine Hand und legt die Faust auf den Tisch. Jeder gibt einen Tipp ab, wie viele Hölzchen sich total in den vier Fäusten befinden. Dann werden die Fäuste in der Luft geöffnet, und die Hölzchen fallen auf den Tisch. Wer richtig tippt, scheidet aus, die anderen spielen weiter, bis der, der keinen Treffer landen kann, das Strafholz erhält. Wer drei Strafhölzchen hat, verliert. Für die anderen gibts Punkte.»

Lüthi Werni wird dieses Mal noch genauer hinsehen, damit im Kampf um den Titel alles mit rechten Dingen zu und hergeht. In der Vergangenheit soll es Schlaumeier gegeben haben, die bei Bedarf ein zusätzliches Hölzchen zwischen ihren wülstigen Fingern «hervorzaubern» konnten. Mit solchen Praktiken ist Schluss. Lüthi Werni hat aufgerüstet, grössere Hölzchen organisiert, für den Notfall die Gelbe und Rote Karte im Sack. Es geht hier schliesslich um die Landesehre.

Auf dem Gabentisch wartet der WC-Deckel

Hölzle. Das tut man am Stammtisch im «Adler» seit Jahren, Jahrzehnten. Dort hatten sechs Kumpels vor acht Jahren die Idee zu einer Schweizer Meisterschaft. Seit 2012 wird sie durchgeführt. Zuerst aber heisst es: Einschreiben. Die Startnummer fassen, den Ansteck-Pin mit Hölzler-Logo. Die Spielregeln und der Zeitplan wurden vorab verschickt.

Es ist 13 Uhr 30, Spörri Fredy tritt ans Mikrofon, dankt dem Sponsor, begrüsst die Wettkampfteilnehmer, reicht weiter an Lüthi Werni, der daran erinnert: «Dänkid dra, es isch es Spiel. Es dörf e chli Ehrgiz debi sii, aber es sell gmüetlich zu und her gah. Es preicht am Schluss jede en Priis.» Auf den Sieger wartet der gravierte Wanderpokal, auf die anderen der Gabentisch. Ob Reisekoffer oder Sonntagszopf, ob «Adler»-Gutschein oder Wein, ob Raclette-Öfeli oder WC-Sitz. Lüthi Werni hats gesagt: Es hat für

jeden was.

«Ha gmeint, es göch de Ohrfiige nah»

Dann wird die Tischeinteilung verlesen, die «Athleten» setzen sich. «13.57: Abspielen und Singen der Schweizer Nationalhymne», so stehts im Zeitplan. «Fürd Hymne erhebä mer eus», sagt Lüthi Werni. Also wieder aufstehen. Alle singen. Fast alle. «Ich chönnt si usswändig», sagt eine Spielerin, «aber ich singe nöd gern.» Nach der ersten Strophe reichts auch Lüthi

Werni. Die Musik wird abgestellt. Man sei ja schliesslich zum «Hölzle» hier, und nicht zum Singen.

An Tisch sechs gehts jetzt noch um die Formalitäten. «Wer schribt?» – «Di Jüngscht.» Na gut. Und dann wird munter drauf losgeraten.

«Wer isch dra?»

«Du!»

«Jä soo, ha gmeint es göch de Ohrfiige nah?»

«Näi, im Uhrzeigersinn!»

«Ich säg sächs.»

«Was? Muesch lüter rede!»

«Ich säg SÄCHS.»

«Näi, sächs hätt scho öpper gseid!»

«Dänn sägi halt SIBÄ.»

 

Später ist zu erfahren: Raten, das tun hier nur Laien. Genauso wie nur Laien im Affekt mit der rechten Hand gestikulieren, damit jeder am Tisch weiss: In der linken Faust sind drei Hölzchen. Nein, wer Spielerfahrung hat, der gehe taktisch vor – ganz klar, erklärt Kalt Maya. Nach welcher Taktik denn? Sie, die Siegerin an Tisch sechs, formuliert es nach der ersten Spielrunde so: «Es isch au ä chli Glück debii. Aber ebe nöd numä. Es git en Trick 77. Aber de chani nöd vor em Finale verrate.»

Die Tochter weiss es besser

Zweite Spielrunde im «Adler», inzwischen riechts nach Schweiss und Stumpen. Wieder wird die Tischeinteilung verlesen, wieder setzt man sich. «Wer schriibt?» – «De wo fröögt.» Man lernt dazu.

Am Tisch sitzt jemand aus dem Amt, ein anderer ist von Arth angereist oder aus dem Aargau. Um allen «Athleten» die Ehre zu erweisen, haben die Organisatoren auf dem Balkon extra die 26 Kantonswappen aufgehängt. Nach zwei Runden wird ausgezählt. Die besten 16 spielen ums Finale, die anderen 16 um die Klassierung – und um den Vortritt am Gabentisch.

An Tisch sieben sitzen in der dritten Spielrunde vier, die für den Finaleinzug schlecht geraten oder falsch taktiert haben. Darunter sind auch zwei ehemalige Sieger. Wie viel ist Glück, wie viel ist Können? Moos Beat, der Schweizer Meister von 2016, muss es wissen. Er sagt: «Es isch öppe Fifty-Fifty. Mer mues d Mitspieler chönne läse und iischätze.» Die Teenietochter, ins Handy vertieft, hört das, schaut ihren Vater an und ruft: «Papi! Es isch numä Glück!»

Dieser Beitrag ist am 24. September 2019 im Anzeiger aus dem Bezirk Affoltern erschienen.

bottom of page