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Auf dem Tandem durch das Jammertal

«Les trois Suisses» strampelten in Obfelden gewitzt durchs Programm.

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«Kultur Obfelden» hat am vergangenen Donnerstagabend Besuch aus Bern empfangen.
«Les trois Suisses» spielten im Singsaal Chilefeld. Für die rund 60 Gäste gabs Musik, Witz und (Herz-)Schmerz in einer Tour.

«Mir ist es eingefallen, während ich Fahrrad fuhr.» Nein, das hat nicht Jan Ullrich über seine Dopingpraktiken gesagt, sondern Albert Einstein über die Relativitätstheorie. Angeblich. Wahnsinn, was auf so einem Velo alles passieren kann. Das Verheissungsvolle dabei ist: Velofahren lernen ist recht simpel. Das Problem: Nicht alle radeln nachher auf direktem Weg dem Nobelpreis entgegen.

Manche trampen fest in die Pedale – und treten trotzdem nur an Ort und Stelle. So wie Resli Burri und Pascal Dussex in ihrem Bühnenkabarett «Tandem». Das aufgebockte Velo ist die passende Metapher, denn die beiden «Berner Giele» strampeln sich auf der Bühne an ihrem Leben ab – und kommen nicht vom Fleck.

Der eine ist Velomech, mehrfacher Renn-Sieger und trainiert jetzt den anderen. Gewinner aber, das sind sie beide nicht. Denn während der eine mit Plüschtierchen redet, schleppt der andere seinen beleuchteten Pokalschrank heran, hinter dessen doppeltem Boden die Spritzen hervorblitzen. Einer hat keinen Erfolg, und der andere hat ihn nicht verdient.

Wunden, Schrauben und Narben

Die Beiden können wahrlich nicht viel. Aber jammern, das können sie verdammt gut. Und es macht diebisch Freude, ihnen dabei zuzuhören. Denn in ihren Leiden, da blühen sie auf: «We eine Päch het, de be s ig, nie wett mer öppis glinge, I bi doch en arme Siech, scho weder de Troschtpriis», klönen sie, «Life could be so sweet, if I were a bicycle seat.» Einmal kokettieren sie mit ihren Unfällen: «Füf Schruube, 22 Zentimeter Narbä, 50 Gramm Platin, vier Stund OP». Dann ächzen sie: «Mir si hert im näh!», und man glaubt es ihnen nicht. Und auch in der Liebe klemmt es. Jolanda ist die Beste – finden beide. Arme, arme Jungs.

Doch wer immer nur unter die Räder kommt, wirkt schnell platt. Deshalb können die Berner Gümmeler auch anders. Die Kontrolle über-nehmen zum Beispiel, über die Dinge, die sie an Ort und Stelle treten lassen. Mal traktieren sie das Velo mit Schlagzeugstöcken, mal lösen sie vom Rahmen eine Klarinette ab, mal betrommeln sie das Vorderrad, und mal rasseln sie mit der Trinkflasche. Und unter all diese Klänge mischen sie bekannte Songs, veredeln sie mit dem Esprit des Biker-Daseins – und damit gewissermassen mit ihrem eigen(willig)en Lebenssound. Aus «I’m walking on sunshine» wird «I’m biking on sunshine», Tina Turners «Proud Mary» wird zur Hymne für Velokuriere, in der aus «Rolling on the River», plötzlich «Rolling to deliver» wird. Und im Song von «The Doors» fordern sie: «Come on Baby, ride my flyer».

 

Aber ganz ohne Wehmut und Schmerz gehts dann doch nicht. Irgendwann brauchen ihre malträtierten, tauben Herzen eine Wiederbelebung. Dann säuseln sie statt «Ewigi Liebi» halt «Defibrillier mi».

Am Schluss klatschen die 60 Gäste im Singsaal Chilefeld fleissig und begeistert – und die Beiden? Logo: Sie jammern. «Löt us endlech heiiii», betteln sie frech.

 

Die beiden Verlierer aus Bern, ein Erfolgsduo? Äuä scho!

Dieser Beitrag ist am 18. März 2019 im Anzeiger aus dem Bezirk Affoltern erschienen.

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