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Wie läuft das bei denen?

Die Autoren der Coop-Kolumne «Schreiber vs. Schneider» waren am 26. Oktober im Stampfisaal Knonau zu Gast.

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Ein Ehepaar zankt sich seit 18 Jahren öffentlich in seiner Kolumne in der Coop-Zeitung. Die Fangemeinde in der Schweiz ist gross. Auch in Knonau. Weshalb?

Nach einer Stunde war Fragerunde. Doch ausgerechnet an jenem Freitag kam sie nicht, die eine Frage: «Bereitet es Ihnen als Ehepaar keine Mühe, in den Kolumnen so viel Privates von sich preiszugeben?»

Dann hätte Sybil Schreiber vielleicht erklärt, dass sie ja – bei aller Güte – längst nicht alles zu Text verarbeiten, was da in ihrem Eheleben so passiert (und nicht passiert), und Steven Schneider hätte ergänzt, dass Familienalltag nichts Exklusives sei, wie sie das in Interviews schon zu sagen gepflegt hatten.

Aber vielleicht wäre diesmal auch alles anders gekommen. Vielleicht hätte Sybil Schreiber ihren Kopf zu Steven Schneider gedreht, ihm einen Blick zugeworfen und geraunt: «Sagst du es ihnen?» Der hätte genickt und ins Publikum zurückgefragt: «Bereitet es Ihnen als Leserschaft keine Mühe, in den Kolumnen so viel Privates von uns zu erfahren?»

Das Publikum erfährt, was es bereit ist, zu erfahren

Aber eben: Weil die Frage nicht kam, kam auch die Antwort nicht. Und deshalb erfuhr das Publikum nicht, dass Schreiben kein einseitiger Akt ist, sondern eine Wechselwirkung erzeugt. Dass Schreiber und Schneider also nur exakt so viel von sich preisgeben können, wie die Leserinnen und Leser aus ihrem Alltag zu erfahren bereit sind. Im selben Umfang gibt das Publikum nämlich etwas zurück: Sein Interesse an all dem, was das Ehepaar erzählt. Wenn es sich zankt und uneinig ist, unterschiedliche Meinungen vertritt, das Gegenüber nicht versteht, sich ärgert und auf die Nerven geht – und trotzdem seit 18 Jahren elegant die Kurve kriegt.

Die Beziehung zwischen Schreiber/Schneider und ihrer Fangemeinde prägt also das, was die beiden Seiten miteinander teilen: die Informationen und die Bereitschaft, diese Informationen lesend zu erfahren. Und ein zweites Mal mehr über das Autoren-Paar erfahren, das wollte an jenem Abend in Knonau das Publikum.

Wie läuft das bei denen? Mit dem Kochen und der Hausarbeit, dem Autofahren und den Kindern, mit dem Streiten – und dem Lieben?

Die beiden Autoren enttäuschten nicht. Während 90 Minuten sassen sie da, lasen aus alten Kolumnen, und wenn sie gerade nicht lasen, dann schenkten sie sich nichts. Sie hatte ihre Sicht auf die Dinge, er eine andere. Und umgekehrt. Das Publikum amüsierte sich köstlich. Vielleicht auch deshalb, weil die vorgelesenen Kolumnen trotz der klaren Geschlechter-Perspektive nicht allzu simpel klischiert daherkamen. Die Variation der Anekdoten liess es kaum zu, sich nur in ihren oder seinen Erzählungen wiederzuerkennen. Irgendwie verstand man sie beide.

Und plötzlich wurde es ganz, ganz still

Wenn also das Paar auf dem Weg ins Schauspielhaus war und er unterwegs Bleifrei statt Diesel tankte, dachte vielleicht die eine oder der andere im wahrsten Sinne des Wortes: «Ouu Mann!»

Wenn sie dann aber den Abfallsack so sehr vollstopfte, bis er platzte – nur um einen Franken zu sparen – dann hatte auch er das Verständnis und die Lacher des eher älteren Publikums auf seiner Seite. Vielleicht macht genau das den Erfolg dieser Kolumnen aus: Sie spenden Gewissheit und Trost, dass es anderen (Ehe-)Paaren nicht besser ergeht. Dass sie ähnliche Kämpfe ausfechten, an ähnlichen Problemen straucheln und manchmal fast daran verzweifeln.

Übrigens: Gegen Ende druckste das Paar plötzlich ein bisschen rum, also jetzt zum Schluss so, da wolle man noch eine Kolumne … Nun ja, «Sie wissen schon». Um es kurz zu machen: Es ging um das Liebesleben der beiden. Und hoppla: Da wurde es im Saal plötzlich ganz, ganz still. Jetzt genau zuhören.

Dieser Beitrag ist am 2. November 2018 im Anzeiger aus dem Bezirk Affoltern erschienen.

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